Verkehrsmelder: Sardinien
(Prolog: Kein Berliner, kein Stuttgarter, kein Frankfurter... Ein Hamburger, ein Münchner. Aber ZWEI Esslinger. - siehe Beitrag vom 19.10.2014, q.e.d.)
Da ist sie wieder, die eingehende Analyse des Autofahrens im Ausland,
diesmal auf Sardinien.
Einleitend kann man sagen: Der Sarde ist kein Italiener. Er hupt so gut wie gar nicht, und er beherrscht den Bau einigermaßen brauchbarer Straßen bis in entlegenste Winkel. Chapeau!
Dem durchaus italienischen Ignorieren aller
Geschwindigkeits-beschränkungen setzt er ebenfalls Grenzen durch das
geschickte Einstreuen von Überraschungskurven.
Vielleicht ist das aber auch gar keine Absicht. Hier und da wirkt es viel mehr, als hätte der Bauleiter einst einfach seinen Kompass in Richtung Ziel gehalten und befohlen: "Baut mir eine gerade Straße in diese Richtung! Auf, auf!" Doch nach einiger Zeit kam ein Arbeiter zu ihm, tat den Mund auf, sagte und sprach: "Herr, es befindet sich ein Hindernis auf unserem Weg! Wir haben schon fast bis ganz hin gebaut, aber es geht nicht auf die Seite! Was sollen wir tun?" Da ging der Bauleiter in seinen Wohnwagen, schmiss das Internet an und bestellte beim spezialisierten Fachhandel das Set "Hindernisumgehung (sardisch)", bestehend aus einer sauengen 90-Grad-Kurve nach links und einer sauengen 90-Grad-Kurve nach rechts. Im Preis enthalten: ganz viele lustige Pfeil-Schilder.
Schilder sind ohnehin auf Sardinien günstig zu haben. So günstig, dass man sie nach zeitlich begrenztem Gebrauch einfach stehen lässt. Immer wieder finden sich Hinweise auf angebliche - vielleicht ehemalige - Baustellen mit Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 20 (!!) km/h, wo beim besten Willen kein Anlass dafür besteht. Macht aber nichts, denn - siehe oben - die Schilder kann man ohnehin ignorieren. Das wird nicht nur toleriert, sondern erwartet.
Ebenfalls billige Massenware von der Stange sind offenbar Zebrastreifen. In manchen Ortschaften ist es wirklich schwer, den Verwegenen zu mimen und zum Überqueren einer Straße NICHT einen der vorgesehenen Übergänge zu benutzen, denn dazwischen ist kaum Platz. Doch keine Sorge, hier gilt dasselbe wie bei den Schildern: kein Mensch erwartet, an einem Zebrastreifen über die Straße gelassen zu werden. Hält man vor einem solchen an, eilt der Fußgänger womöglich zum Wagen, weil er vermutet, Pannenhilfe leisten zu können.
Überhaupt ist der Sarde in der Disziplin des ungerührten Weiterfahrens sogar italienischer als der Festland-Italiener. Deshalb der wichtige Tipp: Jemanden freundlicherweise irgendwo rein oder vorbei zu lassen, ist etwas, das man als Gast unbedingt vermeiden sollte. Man sorgt damit unter Umständen für erhebliche Verunsicherung und Verwirrung. Egal in welcher Situation, egal, wie leid einem der Einbieger tut, der vielleicht schon seit vorgestern auf eine Lücke im vorbei fließenden Verkehr wartet, oder wie lange die Schlange schon ist, die sich hinter dem mit dreißig Sachen auf der Schnellstraße tuckernden landwirtschaftlichen Nutzfahrzeug gebildet hat: ungerührt weiterfahren. Zuvorkommend sein zu wollen, wirkt auf Einheimische irritierend bis dämlich. Und es nützt auch nichts, denn man kann dem Einbieger minutenlang Handzeichen geben, dass man ihn hinein lassen möchte, er wird einen nur verständnislos anstarren und vielleicht Angst bekommen.
Einfach immer weiterfahren. Das ist wohl zusammenfassend das, was man dem Reisenden auf Sardinien raten kann. Und keine Sorge, man lernt das erstaunlich schnell.