Verkehrsmelder: Schottland
Als ich noch regelmäßig meine Artikelchen zu schreiben hatte, war es
liebgewonnene Gewohnheit, nach einem Urlaub, der die aktive Teilnahme an
ausländischem Straßenverkehr umfasste, die dortigen Verhältnisse und
Gepflogenheiten zu schildern, sofern sie sich dafür als absurd genug
erwiesen. Diese Tradition für diese Stelle hier wieder aufleben zu
lassen, war mein Vorsatz. Doch der hat sich während meiner
Schottland-Tour verflüchtigt, denn...
Was soll ich schreiben??
Diese Frage ist keineswegs rhetorischer Natur.
Schilder mit Ge- und Verboten werden in Schottland beispielsweise sehr dosiert und sinnvoll eingesetzt. Hallo Deutschland!
Statt drei übereinandergepappten Hinweisen etwa, welche Verhaltensweisen
in der nächsten Kurve Bußgelder nach sich ziehen könnten, steht einfach
"SLOW" auf der Straße. Da kann dann jeder selber entscheiden, ob er
den Rat beherzigen oder lieber geradeaus ins Gebüsch rauschen will.
Die diversen Arten von Mittelstreifen lassen je nach Erscheinungsbild
ihr rechtmäßiges Überqueren zu oder eben nicht, wobei letzteres keinen
juckt, wenn man einen Schnarchzapfen, einen Radfahrer oder ein Schaf
überholen möchte. Man entscheidet das mehr oder weniger
situationsabhängig selbst, und solange nichts passiert, scheint es
allen, inklusive Polizei, ziemlich egal zu sein.
Überholverbots-Schilder hingegen existieren in Schottland überhaupt nicht, glaube ich. Und schon gar keine Überholverbote mit Ausnahme von Traktoren außer für LKWs mit mehr als 7,5 Tonnen Gewicht sowie an Sonn- und Feiertagen ungeraden Datums zwischen 17:14 und 17:19 Uhr (Lärmschutz).
Die überaus freiheitlich daherkommenden Vekehrs-Nicht-Regeln harmonieren
ausgezeichnet mit einer meinerseits bislang nur höchst selten erlebten
Gelassenheit der Verkehrsteilnehmer. Flächendeckend. Egal ob in
verstopfter Hauptstadtstraße oder bei der Begegnung im Rahmen des
einspurigen Highland-Holperns.
Ich vermute, Hupen gelten in Schottland als Sonderausstattung. Anders
die Lichthupe, die der Schotte allerdings nahezu ausschließlich im Sinne
von "Bitte, mein lieber Entgegenkommender, nach Ihnen! Wie geht es
Ihnen denn sonst so?" verwendet, wenn er mal wieder seit zehn Minuten
auf der Single-Track-Road in einer Ausweichstelle parkt, weil er vorhin
am Horizont ein entgegenkommendes Fahrzeug zu erahnen glaubte.
Kurz und gut: es ist geradezu faszinierend, wie einfach alles sein kann,
wenn man a) die Leute lässt und b) diese das nicht allzu wild
ausnutzen.
Dass das in Deutschland nicht möglich wäre - bedingt weniger durch die
höhere Verkehrsdichte als vielmehr durch das vielfach wunderliche
Verhältnis des Deutschen zu seinem blechernen Geschlechtsteil bzw.
seiner Kontostandsveröffentlichung bzw. seinem tandüberfrachteten
Gartenhäuschen-Ersatz bzw. seiner Privat-Plakatierflächen bzw. zu was
auch immer ein Fortbewegungsmittel hochstilisiert werden kann... zudem
wird der hiesige Straßenverkehr ja nebenbei auch dringend zum
Abreagieren aufgestauter Relikte frühsteinzeitlicher Verhaltensmuster
gebraucht... Schotten benutzen ihre meist relativ schmucklosen Autos
primär ihrem eigentlichen Zweck entsprechend, schmeißen im Übrigen halt
gelegentlich grunzend ein paar schwere Steine durch die Gegend und gut
is...
Dass das also in Deutschland nicht funktionieren würde, ist mir völlig
klar. Und ein Italien mit schottischen Freiheiten im Straßenverkehr bzw.
die daraus resultierenden Werkstatt- und Krankenhaus-Rechnungen will
ich mir gar nicht vorstellen.
Nichtsdestotrotz: Es war was zum Genießen.
Und etwas, worüber ich nichts weiter schreiben kann.
Also lass ich's.